Vor vielen Jahren gab es, so sagt man, in Köln ein kleines Völkchen, auch als Heinzelmännchen bekannt. Diese ganz besondere Art von Hausgeistern erledigte die liegengebliebene Arbeit der Menschen. Heimlich bei Nacht, wenn alles schlief, verrichteten sie deren Arbeit, denn sie wollten unerkannt bleiben. Die Bürger nahmen diese Hilfe dankbar an. Somit waren ihre Sorgen vergessen und sie konnten am Abend beruhigt zu Bett gehen. Eines Tages jedoch spielte die Frau des Schneiders den Heinzelmännchen einen hinterlistigen Streich, um die Wesen zu Gesicht zu bekommen, denn ihre Neugier war groß. Gegen Mitternacht, als die Heinzelmännchen auftauchten, um ihre Arbeit zu verrichten, rumpelte es mit lautem Getöse und Geschrei in der Werkstatt des Schneiders. Die Schneidersfrau hatte Erbsen auf der Treppe verteilt und nun purzelten die Heinzelmännchen nacheinander die Treppe herunter und blieben am Fuß der Treppe liegen. Ganz zum Gelächter der Frau, denn diese sah die kleinen Hausgeister und verfiel in ein höhnisches Gespött. Die Heinzelmännchen machten sich traurig in die dunkle Nacht davon und verschwanden für immer. Am nächsten Morgen, als die Bürger Kölns erwachten, war die liegengebliebene Arbeit nicht getan und auch fortan mussten die Menschen ihre Arbeit wieder alleine erledigen, ohne heimliche Hilfe.
Die Kölner Volkssage der Heinzelmännchen erschien erstmals schriftlich im Jahr 1826, in einem Werk des Kölner Schriftstellers Ernst Weyden. Bekannt wurde sie jedoch in Form einer Ballade, die August Kopisch (1799-1853), 1836 verfasste. August Kopisch war ein deutscher Historienmaler und Schriftsteller, der jedoch nie selbst Köln besuchte. 1899 wurde in Andacht an ihn der Heinzelmännchenbrunnen errichtet. Dieser befindet sich gegenüber dem ältesten Kölner Brauhaus, dem Cölner Hofbräu Früh und stellte die Ballade künstlerisch dar.
Julia Meyer
Wie war zu Cölln es doch vordem
mit Heinzelmännchen so bequem!
Denn, war man faul, man legte sich
hin auf die Bank und pflegte sich:
Da kamen bei Nacht,
eh' man es gedacht,
die Männlein und schwärmten
und klappten und lärmten
und rupften
und zupften
und hüpften und trabten
und putzten und schabten
und eh ein Faulpelz noch erwacht,
war all' sein Tagewerk bereits gemacht!
Die Zimmerleute streckten sich
hin auf die Spän‘ und reckten sich.
Indessen kam die Geisterschar
und sah, was da zu zimmern war.
Nahm Meißel und Beil
und die Säg‘ in Eil,
sie sägten und stachen
und hieben und brachen,
berappten
und kappten,
visierten wie Falken
und setzten die Balken.
Eh sich's der Zimmermann versah,
klapp, stand das ganze Haus schon fertig da!
Beim Bäckermeister war nicht Not,
die Heinzelmännchen backten Brot,
die faulen Burschen legten sich,
die Heinzelmännchen regten sich
und ächzten daher
mit den Säcken schwer!
Und kneteten tüchtig
und wogen es richtig
und hoben
und schoben
und fegten und backten
und klopften und hackten.
Die Burschen schnarchten noch im Chor,
da rückte schon das Brot, das neue, vor!
Beim Fleischer ging es just so zu:
Gesell‘ und Bursche lag in Ruh.
Indessen kamen die Männlein her
und hackten das Schwein die Kreuz und Quer.
Das ging so geschwind
wie die Mühl' im Wind.
Die klappten mit Beilen,
die schnitzten an Speilen,
die spülten,
die wühlten
und mengten und mischten
und stopften und wischten.
Tat der Gesell die Augen auf -
wapp, hing die Wurst schon da zum Ausverkauf!
Beim Schenken war es so: es trank
der Küfer, bis er niedersank,
am hohlen Fasse schlief er ein.
Die Männlein sorgten um den Wein
und schwefelten fein
alle Fässer ein.
Und rollten und hoben
mit Winden und Kloben
und schwenkten
und senkten
und gossen und panschten
und mengten und manschten.
Und eh der Küfer noch erwacht,
war schon der Wein geschönt und fein gemacht.
Einst hatt‘ ein Schneider große Pein,
der Staatsrock sollte fertig sein;
warf hin das Zeug und legte sich
hin auf das Ohr und pflegte sich.
Da schlüpften sie frisch
in den Schneidertisch;
da schnitten und rückten
und nähten und stickten
und fassten
und passten
und strichen und guckten
und zupften und ruckten
und eh mein Schneiderlein erwacht,
war Bürgermeisters Rock bereits gemacht.
Neugierig war des Schneiders Weib,
und macht sich diesen Zeitvertreib:
streut Erbsen hin die andre Nacht.
Die Heinzelmännchen kommen sacht:
eins fährt nun aus,
schlägt hin im Haus,
die gleiten von Stufen,
die plumpen in Kufen,
die fallen
mit Schallen,
die lärmen und schreien,
und vermaledeien!
Sie springt hinunter auf den Schall
mit Licht: husch, husch, husch, husch - verschwinden all!
O weh! nun sind sie alle fort,
und keines ist mehr hier am Ort!
Man kann nicht mehr wie sonsten ruh‘n,
man muß nun alles selber tun!
Ein jeder muß fein
selbst fleißig sein,
und kratzen und schaben
und rennen und traben
und schniegeln
und biegeln
und klopfen und hacken
und kochen und backen.
Ach, daß es noch wie damals wär'!
Doch kommt die schöne Zeit nicht wieder her!
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Text-Quelle: http://de.wikisource.org/wiki/Die_Heinzelm%C3%A4nnchen
1836. Die Heinzelmännchen (August Kopisch) Dunker und Humblot Verlag
Fotos:
1. Heinzelmännchen - Diorama, User:Yoshi, Wikipedia
2. Heinzelmännchenbrunnen in Köln, © Raimond Spekking / CC-BY-SA-3.0 (via Wikimedia Commons)